Der Patient sitzt an seinem Tisch, gerade hat die Krankenschwester das Tablett mit dem Mittagessen gebracht. Der Mann wirkt ruhig, sein Blick wandert auf dem Tablett umher. Die Ruhe trügt – denn über einen Bildschirm in der sogenannten Intensiv-Monitoring-Einheit (IME) sehen Professor Dr. Bernhard Steinhoff, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Epilepsieklinik für Erwachsene in Kehl-Kork, und elf Medizintechnik-Studierende der Hochschule Offenburg, dass sich bei dem Patienten ein epileptischer Anfall ankündigt.
Es ist kein normaler Hochschultag für die Studierenden – sie sind im Epilepsiezentrum in Kehl-Kork zu Gast und besuchen das zweitägige Seminar „Klinische Neurophysiologie“, das der Chefarzt höchstpersönlich gibt. Seit dem Sommer 2013 arbeiten Steinhoff und Professor Dr. Andreas Otte, der im Bachelor- und Masterstudiengang Medizintechnik den Bereich der Neurowissenschaften betreut, zusammen. „Dieser Kurs ist mir eine Herzensangelegenheit“, sagt Steinhoff, der den Studierenden zwei Tage lang einen Einblick in die Medizingeschichte, in das Krankheitsbild und vor allem in die Diagnostik der klinischen Neurophysiologie, die ein wesentlicher Bestandteil der Epileptologie ist, gibt. „Hier bei mir in Kork gibt es jetzt zwei Tage lang Theorie, gewürzt mit Praxis“, scherzt Steinhoff.
Als sich bei dem Patienten, den die Studierenden über einen Bildschirm sehen können, ein epileptischer Anfall ankündigt, stehen die Studierenden und Professor Steinhoff in der Intensiv-Monitoring-Einheit des Korker Epilepsiezentrums. „Auf dieser Station geht es um die Frage der Operierbarkeit“, erklärt Steinhoff. Hier liegen schwerkranke Epilepsie-Patienten, bei denen die Ärzte mit Medikamenten nicht weiterkommen. Auf den Monitoren sind nicht nur die Patienten, sondern auch deren Hirnströme zu sehen, die in einem sogenannten Elektroenzephalogramm (EEG) dargestellt werden. „Hier brauchen wir ein flottes Netzwerk“, sagt Bernhard Stark, der im Epilepsiezentrum den Bereich Medizintechnik leitet. Er führt die Offenburger Studierenden in den Serverraum, in dem äußerst leistungsfähige Rechner stehen, die die Daten aus der Intensiv-Monitoring-Einheit verarbeiten und speichern. „Hier wird ordentlich Datenmaterial gesammelt, denn eine lückenlose Dokumentation ist in unserem Bereich sehr wichtig“, so Stark.
Die Nähe Offenburgs zum Epilepsiezentrum ist ein Glücksfall für die angehenden Medizintechniker: „Die Kooperation mit Herrn Professor Steinhoff war von Anfang an ein Erfolgsmodell und ist zu einem wichtigen Bestandteil unseres Wahlpflichtfachkatalogs in der Medizintechnik geworden. Der in kleinen Gruppen stattfindende, persönlich von Professor Steinhoff durchgeführte Kurs hat bei unseren Studierenden eine solch enorm positive Resonanz gefunden, dass er über Jahre hinweg ausgebucht ist", sagt Professor Dr. Andreas Otte. Die Studierenden pflichten ihrem Professor bei: „Das ist einfach ein besonderes Wahlpflichtfach, auf das wir uns lange gefreut haben.“
Die Kooperation: Der Inhalt des seit Wintersemester 2010/2011 an der Hochschule Offenburg eingerichteten Studiengangs Medizintechnik beinhaltet zwei bewusst gewählte Studien- und Forschungsschwerpunkte, die sich vor allem an einem hohen regionalen Bedarf an Absolventinnen und Absolventen orientieren: die Kardiowissenschaften (Herz) und die Neurowissenschaften (Gehirn). Diese beiden Schwerpunkte sind sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudiengang Medizintechnik an der Hochschule Offenburg etabliert. Die seit Sommer 2013 auf dem Gebiet der Lehre bestehende Kooperation mit dem Epilepsiezentrum Kork ermöglicht es den Studierenden, vor Ort auch einen klinischen Eindruck in die Neurophysiologie/Epileptologie zu erhalten.